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Theo
Und schon wieder hieß es Beine in die Hände nehmen. Aber was blieb mir schon anderes übrig? Es verging kaum ein Tag, an dem ich mich nicht mit irgendwem anlegte. Sei es mit einem Taxifahrer, weil der im Schneckentempo herumfuhr, oder mit einem meiner schon unzähligen Arbeitgeber. Nie hatte ich es auch nur länger als zwei Wochen auf ein und derselben Arbeit ausgehalten. Ich war aber auch echt ein Pechvogel. Wenn irgendetwas in die Brüche ging oder nicht so funktionierte, wie es hätte funktionieren sollen, dann war ich sofort daran schuld. Ich und niemand sonst. Nur ich. Gut, manchmal war ich schon ein wenig unvorsichtig und ging auch nicht gerade zimperlich mit manchen Dingen und Menschen um, aber hey, wie hieß es doch so schön? Wie du mir, so ich dir. War vielleicht nicht gerade so als wäre ich nur auf Rache aus, wenn mir jemand an den Karren fuhr, aber ich ließ es mir auch ganz bestimmt nicht gefallen, dass ich wie der letzte Dreck behandelt wurde. Jeder machte mal einen Fehler, ich machte zwar ab und an mal einen zu viel, aber so war ich nun einmal und daran konnte ich auch nichts ändern. Nur leider sahen das so einige Personen anders als ich. Denn sonst hätte ich jetzt nicht auch noch die Bullen am Hals. Schon wieder. Das zweite Mal in dieser verdammten Woche. Aber ich dachte auch erst gar nicht daran mich ihnen zu stellen. Warum sollte ich auch? Ich hatte nichts verbrochen, das einzige was passiert war, war das, dass mein gefühlter tausendster Chef mich rausgeschmissen hatte, nachdem ich angeblich einen seiner besten Kunden aufs übelste beleidigt hatte. So ein Quatsch. Wirklich. Das war nicht ich gewesen, das war sein beschissener Bastard von Freund gewesen, dieses hinterhältige Arschloch. War jetzt aber auch egal. Viel wichtiger war es in dem Moment doch, so schnell wie möglich vorwärts zu kommen und so weit wie nur irgendwie möglich von hier wegzukommen. Ich drängte mich durch die Menschenmassen, die in die Stadt hineinliefen und auch wieder aus der Stadt herausliefen, und immer wieder bekam ich ein ‚Pass doch auf!‘ oder ein ‚Vollidiot!‘ hinterher gerufen. Aber das war mir jetzt völlig egal, ich hatte keine Zeit um mich zu entschuldigen. Ich rannte um eine Ecke, dann in Richtung einer schmalen Fußgängerbrücke über den Fluss, der nach dem heftigen Regen von der letzten Nacht um einiges angestiegen war und ziemlich reißend war. Hinter mir hörte ich schon die Polizisten rufen, dass ich stehenbleiben sollte, aber ehrlich? Daran würde ich nicht einmal im Traum denken. Ich würde mich doch garantiert nicht von denen abführen lassen. Das konnten sie vergessen. Ich hatte hier immerhin niemanden umgebracht und geklaut hatte ich auch noch nie etwas. Das meiste was passiert war, wuchs auf dem Mist von irgendwelchen anderen Deppen, die mir das in die Schuhe schieben wollten. Sollten sie denen doch auf die Pelle rücken, aber nicht mir! Gerade als ich vielleicht die Hälfte der Brücke überwunden hatte, kamen von der anderen Seite auch noch ein paar Uniformträger auf mich zugelaufen und ich blieb abrupt stehen. Schnell drehte ich mich um, in der Hoffnung, dass die hinter mir verschwunden sein würden- waren sie aber nicht. Die waren immer noch da und schienen sich auch nicht von mir abhängen zu lassen. Meine Augen huschten von links nach rechts und von rechts nach links wieder zurück. Ich saß in der Klemme, verdammt! Meine Brust hob und senkte sich wahnsinnig schnell, ich hörte das Blut in meinen Adern rauschen und wirklich.. mir blieb nichts anderes übrig als der Sprung in das eiskalte Nass unter mir, wenn ich nicht gefasst werden wollte. Ich atmete ein paar Mal tief durch, dann kletterte ich über das Geländer der Brücke, hörte die Bullen noch irgendwas rufen und dann sprang ich. Es war der letzte Ausweg gewesen und ich wusste, dass es gefährlich war in diesen Fluss zu springen. Zumal die Strömung weiter unten noch sehr viel stärker werden würde und es dann so gut wie gar kein Entkommen mehr geben würde. Meine Gedanken wurden allerdings jäh unterbrochen, als ich im reißenden Fluss untertauchte und von der Strömung nach unten gedrückt und mitgerissen wurde..
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„Sag mal, geht’s noch? – Das kann doch nicht wahr sein!“ rief die Blondine neben mir dem jungen Mann hinterher, der mich und sie gerade unsanft auseinander gestoßen hatte. Mein Blick hing noch einen Moment am Rücken des jungen, dunkelhaarigen Mannes, der es scheinbar ganz schön eilig hatte. Kurz darauf wussten wir auch schon aus welchem Grund, denn kaum hatten wir uns wieder sortiert drang ein „Achtung. Vorsicht!“ an unser Ohr, als auch schon zwei Polizisten sich an uns vorbei schoben, dem unbekannten Rempler hinterher rannten. Meine Tasche war bei der Aktion auf dem Boden gelandet, weswegen ich sie wieder aufsammelte, ebenso das Handy, das aus dieser herausgefallen war. War nun kein Weltuntergang, aber die Verabschiedung einer Freundin hatte ich mir in dem Sinne wohl auch völlig anders vorgestellt. Die Blondine regte sich noch immer auf, was mir ein amüsiertes Lächeln auf die Lippen zauberte, bevor ich meine Hand sanft auf ihren Arm legte: „Ist doch nichts passiert, alles in Ordnung.“ Beschwichtigte ich sie, bevor ich sie kurz in meine Arme zog und mich von ihr verabschiedete. Als hätte man einen Schalter umgelegt wurde auch sie ruhiger, lächelte mich leicht an und verabschiedete sich von mir, bevor sie nach links davon lief. Ich ging gerade aus. Ich wollte mir noch ein wenig Ruhe am Fluss gönnen, dort wo nicht viele Menschen waren und wo ich von jeglichen Gefühlsregungen verschont blieb. Diese waren auf Dauer gesehen nämlich schlicht weg anstrengend, man konnte es schließlich nicht einfach einmal abstellen, irgendetwas übersah man immer und irgendetwas prasselte immer auf einen ein. Je mehr Menschen, desto schlimmer war es natürlich. Wobei ich durchaus gelernt hatte damit umzugehen, eben auf meine Art und Weise, sonst wäre ich nun wohl nicht da wo ich jetzt war. Immer weiter entfernte ich mich von der Stadt, indem ich einem schmalen Pfad folgte, der nur wenige Meter neben dem Fluss entlang verlief. Das Gras wurde immer höher, mehr Büsche und schließlich auch Bäume tauchten auf, die Schatten warfen, sodass ich nun doch wieder in meine Jacke schlüpfte, diese zuknöpfte. Ich war Öfters hier, eben genau dann, wenn ich einfach einmal nur Zeit für mich brauchte, hier traf man wirklich selten Menschen an. Meist niemanden und das war ja auch das was ich beabsichtigte. Heute schien allerdings nicht ganz mein Tag zu sein, erst hatte ich nicht einschlafen können, dann war in der Nacht auch noch mein Kühlschrank ausgefallen, sodass ich im Endeffekt am nächsten Morgen alles hatte in die Tonne klopfen können, dann diese Rempelattake des Gesetzesbrechers und nun... nun nahm ich – wenn auch nur schwach – Gefühle wahr, die ich in dem Moment allerdings gar nicht zuordnen konnte. Ich konnte nur mit Sicherheit sagen, dass es sich hierbei nicht um meine Gefühle handelte, ich war nämlich gerade eigentlich sehr ruhig und entspannt gestimmt, diese Gefühle allerdings waren aufgewühlt, fast schon verzweifelt. Unsicher blieb ich einen Moment stehen, einfach weiter gehen? Vermutlich wäre das das einfachste gewesen, aber was war, wenn jemand Hilfe brauchte? Seufzend beschloss ich der Sache nachzugehen, verließ den ‚sicheren‘ Trampelpfad und lief querbeet durch das Gestrüpp, das hier wucherte. Je näher ich dem Fluss kam, desto stärker wurden diese Gefühle... jemand im Fluss? Gerade als ich zwischen den Bäumen hindurch auf das reißende Wasser sehen konnte erblickte ich auch einen Körper darin, der mit der Strömung mitgerissen wurde, was mich doch ein wenig erschrocken nach Luft schnappen und mein Tempo beschleunigen ließ... dabei wusste ich nicht einmal, wie ich den Kerl – das war eigentlich recht offensichtlich – da heraus bekommen sollte, zumal es plötzlich so war, als hätte jemand einen Schalter herumgelegt und die Gefühle die ich eben noch wahr genommen hatte einfach ausgestellt. Einfach so. Es kam mir vor wie Minuten, in denen ich dem im Wasser treibenden Körper folgte, bis die Strömung wieder etwas nachließ und der Fluss eine kleine Biegung machte, sodass der junge Mann ans Ufer geschwemmt wurde. Zu seinem Glück auch noch auf meiner Seite. Außer Atem kam ich bei dem leblos wirkenden Körper an, ließ mich neben diesem ins feuchte Gras sinken, bevor ich ihn erst einmal weiter aus dem Wasser heraus zerrte, versuchte herauszufinden ob er überhaupt noch atmete oder einen Puls hatte – was glücklicherweise der Fall war und mich ziemlich erleichterte, auch wenn Beides ziemlich schwach war.. mehr vor mich hin murmelnd gab ich ein „Gott sei Dank“ von mir, entspannte mich auch sogleich wieder ein wenig, wobei es gelogen wäre zu behaupten, dass meine Anspannung direkt abgeklungen war – eher im Gegenteil, ich war noch immer ganz aufgeregt, erst recht als mir bewusst wurde, dass das höchstwahrscheinlich der Kerl war, der mich vorhin fast über den Haufen gerannt hatte. Zumindest würden die Klamotten passen.
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Theo
Das eiskalte Wasser hatte mich völlig umschlossen und die Kälte drang mir durch Mark und Bein, sodass ich das Zittern nicht unterdrücken konnte. Ich versuchte irgendwie an die Wasseroberfläche zu gelangen, aber die Strömung und das reißende Wasser drückten mich immer und immer wieder nach unten, sodass ich keine einzige, noch so winzige Chance hatte irgendwie nach oben zu kommen und die rettende Luft einzuatmen. Denn die wurde langsam knapp. Ich spürte wie mein Herz raste und so langsam aber sicher bekam ich es mit der Panik zu tun, denn Luftholen war da nicht. Mein Hirn fühlte sich an als würde es von Gefühlen und Gedanken nur so bombardiert werden, aber nichts half. Ich kam nicht darauf, wie ich mich hätte aus dem Schlamassel retten können. Versuchte ich mit den Beinen den Grund des Flusses zu erreichen oder mit den Händen nach irgendetwas zu greifen, wurde ich geradewegs von dem wilden Wasser mit fortgerissen und Verzweiflung machte sich in mir breit. Wie konnte ich auch schon nur so dumm sein und denken, dass ich hier wieder rauskommen würde? Aber hätte ich stattdessen in die Arme der Polizisten laufen sollen? Nein. Nur wahrscheinlich würden sie jetzt auch noch den ganzen Fluss nach mir absuchen. Vermutlich würde ich schon längst ertrunken sein, bis sie mich finden würden. Vermissen würde mich ja aber auch eh niemand. Für die meisten Menschen war ich ein dummer Nichtsnutz, der nur Probleme machte und nichts auf die Reihe bekam. Ich sollte mich wohl einfach irgendwie damit abfinden. Jetzt würden sie sowieso ihre Ruhe vor mir haben. Auch wenn ich ihnen nur zu gerne noch das ein oder andere heimgezahlt hätte. Aber jetzt war es wohl auch erst einmal so weit, dass mein Körper mir einfach das Licht ausknipste und mir das Bewusstsein nahm. Die Luft war verbraucht und ich kam nicht an neue, sodass ich noch ziemlich verzweifelt versuchte irgendwie anders an Sauerstoff zu kommen. Nur das ging eben unter Wasser nicht und so bekam ich nur Wasser in den Mund und in die Luftröhre. Für einen Augenblick versuchte ich noch wild um mich herumzuschlagen und panisch über Wasser zu kommen, dann wurden meine Bewegungen aber langsamer und irgendwann klappten mir meine Augen zu und ich fühlte mich, als würde ich eine tiefe Schwärze fallen. Als würde ich ins Nichts fallen. Mir entglitten jegliche Gedanken und Gefühlsregungen. Da war einfach gar nichts mehr. Pure Dunkelheit, die mich umgab und mich nicht mehr losließ. Ersoffen in einem Fluss. Herzlichen Glückwunsch. Eigentlich hatte ich nicht sterben wollen, nicht jetzt schon. Mein bewusstloser Körper wurde von dem Wasser weitergetrieben, bis er irgendwann ans Ufer gespült wurde. Ich spürte nicht, wie ich irgendwann gepackt wurde und noch ein wenig mehr aus dem Wasser gezerrt wurde. Ich hörte und sah auch nichts. Mein Körper war wie erstarrt, auch wenn ich scheinbar irgendwie doch wieder Luft in meine strapazierten Lungen bekam. Ich wusste nicht wie, aber mein Körper schien sich in dem Moment einfach selbstständig zu machen. Kontrolle war da nicht mehr, Körper und Geist schienen plötzlich zwei völlig unterschiedliche und unzusammenhängende Dinge zu sein, denn als ich scheinbar ein wenig Luft bekommen hatte, fing mein Körper erneut an zu zittern. Und dann schien er mir das Licht doch wieder anknipsen zu wollen, ließ mich aus der Dunkelheit entkommen und ich atmete hektisch und keuchend den lebensrettenden Sauerstoff ein. Gleichzeitig zum einatmen überkam mich dann allerdings noch ein Hustenreiz, da ich doch relativ viel Wasser geschluckt hatte. Ich krümmte mich zusammen, krallte die Finger in den Boden und hustete mir die Seele aus dem Leib, versuchte keuchend und röchelnd an Luft zu kommen. Mittlerweile hatte ich auch meine Augen wieder aufgerissen, wobei ich die junge Frau neben mir noch immer nicht wahrgenommen hatte. Dazu war ich gerade einfach zu fertig, zu beschäftigt zu atmen und meine Panik wieder in den Griff zu bekommen.
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Plötzlich riss er die Augen auf und schnappte nach Luft, was mich erschrocken die Hand zurückziehen ließ, als hätte ich mich an ihm verbrannt. Doch, genau so konnte man meine Reaktion eigentlich beschreiben, als hätte ich mich an dem jungen Mann verbrannt. Mit einem Mal waren alle Gefühle wieder in ihm aufgelodert und durch die Berührung noch intensiver wie ohnehin schon auf mich übergeschwappt. Es war ja nicht so, als wäre ich solche intensiven Gefühle nicht gewohnt, aber da zuvor nichts außer meiner eigenen Aufregung zu verspüren gewesen war, hatte mich dieser Wall von Gefühlen regelrecht von ihm weg gestoßen. Blinzelnd sah ich ihm dabei zu, wie er sich keuchend aufrichtete und sich nach vorn beugte, während sein Körper von einem wahnsinnigen Hustenanfall geschüttelt wurde. Ich bildete mir gerade sogar ein, dass ich sein rasendes Herz und sein rauschendes Blut in meinen eigenen Ohren schlagen und rauschen hören konnte. Das war natürlich Schwachsinn, aber seine Gefühle waren in dem Moment noch immer so intensiv wahrnehmbar, dass es mir fast so vorkam, als steckte ich in seiner Haut. Es dauerte allerdings auch nicht mehr lange bis ich mich relativ gefangen hatte und dem Fremden – auch wenn ich mich irgendwie sehr dagegen sträubte ihn erneut zu berühren – meine Hand sanft auf die Schulter legte: „Da hast du scheinbar nicht den besten Fluchtweg gewählt. – Geht es dir gut?“, fragte ich leise, schloss einen Moment die Augen und versuchte ihn mittels meiner ‚Gabe‘ ein wenig zu beruhigen. Einfach nur ein wenig runter kommen, damit er anständig zu Atem kam und sein Körper sich schneller wieder regulieren konnte. Natürlich musste das Wasser aus den Lungen heraus, aber es brachte wohl nichts, wenn er es in Panik aushustete, viel mehr, wenn er zumindest ein wenig die Ruhe bewahrte. Und so egoistisch es auch klang, es war auch für mich sehr viel angenehmer einen ruhigeren Zeitgenossen neben mir auf dem Boden sitzen zu haben, als einen dessen Gefühle gerade explodierten vor lauter.. was auch immer. Wobei meine Frage ob es ihm gut ging schon ein wenig dämlich war, wie mir im Nachhinein auffiel. Ganz offensichtlich ging es ihm nicht gut, gerade war er noch bewusstlos gewesen, weil er keine Luft mehr bekommen hatte, er zitterte am ganzen Körper und war total nass. Natürlich, er kam ja auch aus dem Fluss. Wie auch immer er es geschafft hatte hinein zu fallen, vielleicht wollte ich das auch gar nicht wissen. Vorsichtig zog ich meine Hand wieder zu mir zurück, legte diese verschränkt mit der anderen Hand erst einmal in meinen Schoß, während mein Blick allerdings noch immer auf dem Unbekannten, klitschnassen Kerl vor mir lag. Zumindest schien ich nicht ganz in meinem Tun versagt zu haben, er wurde wieder ein klein wenig ruhiger, wenn auch nicht sehr viel.. aber nicht, dass er nachher gar keine Luft mehr holte, weil er völlig.. benebelt davon war, wie harmlos seine Situation denn war, das war sie immerhin nicht und vielleicht sollte ich einen Arzt rufen. Der war immerhin verpflichtet ihn nicht zu verpfeifen, in irgendetwas einmischen wollte ich mich nämlich gewiss nicht. Nein, das war wirklich das letzte was ich wollte, das ging mich einfach alles überhaupt gar nichts an und das war vermutlich auch wirklich gut so.
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Theo
Als wäre es nicht genug, dass ich mich von diesem Hustenreiz keine einzige Sekunde losreißen und erholen konnte, spürte ich nun auch noch Schmerzen in meinem Körper aufkommen. Ich schien so verkrampft, dass meine Arme und Beine sich gerade fast so anfühlten, als würden sie bald auseinander gerissen werden. Als würde ich auf der Streckbank liegen. Ich hustete mir hier gerade wirklich die Seele aus dem Leib- oder wohl eher das Wasser, das ich geschluckt hatte. Meine Lungen fühlten sich an als würden sie brennen, es war einfach wahnsinnig unangenehm. Die junge Frau neben mir hatte ich noch immer nicht bemerkt, als ich jedoch eine Hand auf meiner Schulter spürte, zuckte ich kurz zusammen und schnappte röchelnd nach Luft, ehe ich meinen Kopf ruckartig in ihre Richtung drehte und sie aus meinen blau- grauen Augen heraus anstarrte. Das Anstarren währte aber auch nicht lange, kurz darauf wurde mein Körper nämlich erneut von einem starken Hustenanfall durchgeschüttelt. Ihre Worte vernahm ich zwar, aber so richtig konnte ich mich gerade auch nicht auf sie konzentrieren. Wobei ich mich schon fragte, ob sie mich aus dem Wasser rausgezogen hatte. Immerhin musste ich ja irgendwie aus dem Fluss gekommen sein, so weit hoch auf das Gras hatte mich das Wasser garantiert nicht gespült. Allerdings war ich gerade auch erst einmal ein wenig froh darüber, dass sich meine rasenden Gedanken und aufgewühlten Panikgefühle wieder ein wenig beruhigten. Langsam, aber sie taten es. Nachdem der erneute Husten zumindest mal vorüber war, keuchte ich ein wenig erschöpft und ließ mich auf dem Rücken ins Gras sinken. Meine Augen schloss ich für einen Moment, meine Brust hob und senkte sich noch immer schnell und mein Atem ging rasselnd. Dann fiel mir aber auch wieder die junge Brünette neben mir ein, die mich ja gefragt hatte, ob es mir gut ging. Und dass ich scheinbar den falschen Fluchtweg genommen hatte. Den falschen Fluchtweg? Sie schien mich scheinbar gesehen zu haben, als ich vor den Bullen geflüchtet war. Möglicherweise hatte ich sie auch angerempelt, aber ich hatte mich ja schließlich auch nicht ständig umgedreht, den Leuten ins Gesicht gesehen und mich entschuldigt. Dazu war gar keine Zeit gewesen, weshalb ich sie auch nicht erkannte. Und kennen tat ich sie auch nicht, wie ich feststellte, als ich meine Augen wieder öffnete und sie ansah. Ich wollte ihr eine Antwort geben, bewegte auch meine Lippen, aber es kam kein einziger Laut heraus, weshalb ich mich ein wenig räusperte und mich schwerfällig aufsetzte. „Schön wär’s“ krächzte ich schließlich leise, wobei ich nicht einmal wusste, ob sie mich überhaupt verstanden hatte. Gerade schien irgendwie gar nichts mehr zu funktionieren. Auf das mit dem falschen Fluchtweg sagte ich einfach gar nichts. Was auch? Mir war eh gerade nicht danach viel zur reden, meine Stimme versagte so schon ja nach ein paar Worten. Meine Muskeln waren vom vielen Zittern total verspannt und schmerzten. Gott, wie sehr sehnte ich mich gerade nach meinem Bett und nach ein wenig Schlaf. Eigentlich könnte ich auch einfach hier schlafen. Ja. Warum nicht? Ich legte mich wieder zurück auf den Rücken, schloss die Augen und versuchte mich und meinen Körper wieder ein wenig unter Kontrolle zu bekommen, wobei ich gegenüber der jungen Frau jetzt auch nicht unhöflich sein wollte.
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Schön wärs. Natürlich. Mir war ja eigentlich schon klar gewesen, dass nicht alles okay war. Wie sollte es auch, wäre er gerade immerhin fast ertrunken. Wobei ich in gewisser Weise schon ein ‚Dankeschön‘ erwartet hätte. Ja, doch.. immerhin hatte ich ihm seinen Arsch gerettet, wenn wir mal ganz ehrlich waren. Aber gut, vielleicht stand er auch einfach noch unter Schock, vielleicht kam ja noch was. Sowas durfte man schließlich nicht direkt und wie aus der Pistole geschossen erwarten. Immerhin war er gerade bewusstlos ans Flussufer gespült worden. Ohne meine Gabe hätte ich ihn nicht einmal gefunden – hatte das etwa irgendeine Bedeutung? Darüber dachte ich nun nicht weiter nach. Ich beobachtete den Fremden noch einen Moment, bevor ich mich aufrappelte und wieder hinstellte: „Brauchst du einen Arzt?“ Ich hatte beschlossen nun einfach erst einmal nachzufragen, bevor ich jemanden anrief und am Ende noch angekeift wurde. Immerhin gab es genug Menschen, die Hilfe – insbesondere dann wenn sie sie vielleicht brauchten – nicht annehmen wollten. Und wenn er keinen brauchte, dann würde er es doch sicherlich auch alleine aus diesem Wäldchen heraus schaffen und nicht auf direktem Wege wieder ins Wasser springen. Und wenn doch, dann durfte er auf die Hilfe eines anderen Menschen hoffen. Oder eben nicht, denn dann würde er sie ganz offensichtlich nicht wollen. Aber gut, abwarten. Es würde sich ja jetzt zeigen und im Endeffekt würde ich ihm das letztlich auch eben genauso vor die Nase setzen. Vielleicht war er ja aber auch so vernünftig die Sache mit dem Arzt anzunehmen, konnte nicht schaden, immerhin hatte er sich gerade gefühlte fünf Liter Wasser aus den Lungen gehustet, war noch immer ziemlich unterkühlt und geschwächt und noch dazu einige Sekunden – oder waren es Minuten gewesen? – bewusstlos gewesen. Das konnte für niemanden gesund sein, auch nicht für ihn. Und das sah man ihm auch deutlich an. Im schlimmsten Falle würde er wirklich schlimme Folgeschäden davon tragen. Aber gut, ich brauchte ja auch nicht gleich den Teufel an die Wand malen, vielleicht war tatsächlich alles halb so schlimm und vor allem er, aber auch ich waren nur mit dem Schock davon gekommen. Dabei störte mich nun gewiss nicht, dass er sich hinlegte, die Augen schloss. Keineswegs, wenn es ihm so besser ging – und er sich ja irgendwo auch vor mir eingestand, dass es ihm eben ganz und gar nicht gut ging. Dann würde er sich doch bestimmt auch einen Arzt rufen lassen. So oder so war ich dann letztlich hoffentlich wieder fein aus der Sache raus und gut war. Ich hatte genug eigene Dinge zu erledigen und konnte in gewisser Maßen gut darauf verzichten mich auch noch mit anderen Menschen und deren Problemen, Aufgaben und Dingen zu beschäftigen. Immerhin irrte ich jetzt schon gefühlte hundert Jahre – selbstverständlich nicht – hier umher, um einen der ‚Auserwählten‘ zu finden. Wobei ich mich Tag für Tag immer mehr und mehr fragte, wie ich denn herausfinden sollte wer oder welche der oder die Richtige war. Das schien einfach vollkommen unmöglich zu sein. Ich fragte mich wie Kilian mich damals gefunden hatte, woran er mich erkannt hatte. Kilian, den hatte ich auch schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen, wie es ihm wohl ging? – Bei Seite mit diesen Gedanken, immerhin hatte ich hier doch gerade wirklich anderes zu tun.
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Theo
Einige Minuten- oder waren es nur Sekunden?- lang passierte nichts, dann hörte ich, wie sich die junge Frau scheinbar wieder aufrichtete. Zumindest hörte es sich so an. Weglaufen tat sie aber nicht, weshalb ich annahm, dass sie immer noch neben mir war. Neben mir stand. Aber kurz darauf kam eine Frage, die ich gerade am allerwenigsten gebrauchen konnte. Ob ich einen Arzt brauchte? Einen Arzt? Schon alleine bei dem Gedanken fing mein Körper wieder stärker an sich zu verkrampfen. Ich konnte Ärzte nicht ausstehen. Nur im äußersten Notfall schleppte ich mich zum Arzt oder ließ mich dorthin schleppen, aber wirklich, sonst brachten mich keine zehn Pferde zu einem dieser in weiß gekleideten Menschen. Es war vielleicht nicht direkt Angst, es war eher ein nicht mögen dieser Personengruppe. Als kleiner Junge hatte ich da oft genug schlechte Erfahrungen mit Ärzten gemacht, als ich allerdings älter geworden war, hatte ich mich vehement dagegen geweigert zu einem hinzugehen. Weder mein Vater, noch meine Mutter hatten es dann geschafft. Ich wusste nicht mehr genau was da früher mal passiert war, vermutlich war es einfach nur eine Spritze gewesen oder was weiß ich was, aber schon alleine diese sterilen, weißen und hellen Räume riefen in mir ein Unwohlsein hervor. Ich mochte es einfach nicht und wenn es nicht unbedingt nötig war, dann ging ich da auch nicht hin. Fertig. Aus. Möglicherweise war es jetzt vielleicht tatsächlich besser, wenn ich mich von einem Arzt durchchecken lassen würde, mir ging es gerade auch echt miserabel genug, aber mit dem atmen ging es ja jetzt auch wieder und wenn ich hier noch ein paar Minuten still herumliegen würde, dann würde ich es nachher bestimmt auch wieder nach Hause in meine Wohnung und in mein Bett schaffen. Naja, nicht direkt meine Wohnung, ich lebte in einer Wohngemeinschaft mit zwei anderen Kerlen, aber das war ja jetzt auch wirklich nebensächlich. Ich öffnete meine Augen wieder, schaute sie aus meiner liegenden Position heraus an und schüttelte dann leicht den Kopf. „Bloß kein Arzt..“ murmelte ich und keuchte leise, während meine blau-grauen Augen auf ihr ruhten, sie beobachteten. Falls sie mich aus dem Fluss hierher gezogen hatte, sollte ich mich wohl bei ihr höflicherweise bedanken. Denn das hatte ich noch immer nicht gemacht, aber ich war vorhin ja auch mehr oder weniger damit beschäftigt gewesen das Wasser aus meinen Lungen herauszubekommen. „Danke.. für deine Hilfe“ krächzte ich und drückte mich langsam und ein wenig schwerfällig in eine sitzende Position. Schon alleine das war anstrengend. Ich war echt fertig. Fix und fertig und ich hatte keine Ahnung, wie ich es bis nach Hause schaffen sollte. Notfalls würde ich einfach hier schlafen. Ging auch mal. Würde schon hoffentlich niemanden stören. Ich fuhr mir mit einer Hand über das Gesicht und durch meine dunklen Haare, atmete tief durch, was aber ein Fehler war, weil ich dann schon wieder husten musste.
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Bloß keinen Arzt. Wieso hatte ich schon damit gerechnet? Ich hatte mir zwar in gewisser Weise noch die Hoffnung gemacht, dass er dieses Angebot einfach annehmen und sich helfen lassen würde, aber im Endeffekt war mir doch von Beginn an klar gewesen, dass das nichts werden würde. Mann war eben Mann und Mann war prinzipiell eine viel zu stolze Person. Seufz. Meine Schultern sanken einen Moment ein wenig... enttäuscht hinab, weil ich mich ihm nun eben doch zumindest ein klein wenig verpflichtet fühlte. Ich konnte ihn ja schlecht sich selbst überlassen, so wie er hier wagt. Im ersten Moment schwieg ich auf seine ‚Abfuhr‘ dem Arzt gegenüber, da kam auch schon ein Danke. Das was ich ja im Endeffekt auch noch erwartet hatte, auch wenn ich ihm das so wohl nicht gesagt hätte – das war immerhin sein Ding, wobei im Allgemeinen wohl alles sein Ding war, auch ob er zum Arzt ging oder nun weiter tat – oder eben nicht. Aber dennoch. „Kein Problem – konnte dich ja schlecht hier liegen lassen.“, nur die Wahrheit, auch wenn es doch ziemlich.. direkt war und nicht unbedingt die freundlichsten Worte die ich hätte wählen können. Aber sie waren auch nicht böse gemeint, ich wusste nicht unbedingt wie genau ich sie denn nun gemeint hatte, aber nun gut.. war ja auch egal, es war genau das, was mir darauf eben durch den Kopf gegangen war. „Und ich will dir ja ungern auf die Nerven gehen oder mich in Dinge einmischen die mich eigentlich nichts angehen... aber ich schätze mal das es nicht besonders gesund wäre, wenn du hier liegen bleibst, wird in der Nacht doch ziemlich kalt und – so leid es mir auch tut – aber du siehst nicht aus, als würdest du es auch nur zehn Meter weit schaffen.“ Schon wieder die Wahrheit, meine... nackten Gedanken – wenn man so wollte. Aber es war nun einmal das was ich dachte, das wovon ich ausging. Er sah wirklich nicht sonderlich stark aus, sah nicht aus als würde er die Kraft haben gerade auch nur anständig aufzustehen und sich auf den Beinen zu halten. Zumindest nicht ohne zu schwanken wie ein Betrunkener. Ich erwiderte den Blick des Namenlosen Fremden, dachte gar nicht daran ihm auszuweichen. Ich meinte meine Worte auch genauso wie ich sie ausgesprochen hatte. Seufzend fischte ich mir meine Tasche vom Boden, hängte sie mir wieder über die Schulter. War nicht so, dass ich hier jetzt ohne ein weiteres Wort abhauen wollte, aber ich wollte die Tasche hier auch nicht aus Versehen liegen lassen, da war immerhin alles drin: Mein Handy, mein Geldbeutel, mein Schlüssel – und eben noch anderer Kram den ich so mit mir herumschleppte, was zwar weniger wichtig war, aber trotzdem nicht dazu angeschafft worden war um es hier liegen zu lassen. Egal ob er nun mein indirektes Hilfs-Angebot annehmen würde oder eben nicht.
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Theo
Nein, zum Arzt würde ich nicht gehen. Damit war das Thema für mich auch erledigt. Dann war ich eben zu stolz dafür, wobei eigentlich nicht unbedingt mein männlicher Stolz dafür verantwortlich war, dass ich nicht zum Arzt gehen wollte. Hatte andere Gründe, aber das brauchte ich ihr ja jetzt auch erst recht nicht auf die Nase zu binden, auch wenn ich schon gemerkt hatte, dass sie mit meiner Antwort auf ihre Frage hin nicht so ganz zufrieden zu sein schien. Ich war gerade zwar ziemlich erschöpft, aber ich war deswegen weder blind, noch taub, noch sonst irgendetwas, als dass ich das nicht bemerken würde. Wobei ich mich dann doch auch erst einmal für ihre Hilfe bedankte. Es war ja ganz offensichtlich ihre Hilfe gewesen, wer sonst hätte mich aus dem Fluss und ins Gras gezogen, hm? War ja sonst weit und breit niemand außer ihr zu sehen, also blieb ja nur sie als meine ‚Retterin‘. Da war dann ein ‚Danke‘ schon angebracht. Außerdem war ich ja auch kein ungehobelter Flegel, der sowas in jeglicher Art und Weise ausnutzte. Ich war vielleicht nicht gerade der einfachste Kerl- hatte man da ja gerade schon bei der Arzt-Sache gesehen- aber unhöflich und wie der letzte Volltrottel lief ich jetzt auch nicht durch die Welt. Auch wenn das einige vielleicht doch so sahen. Sie hatte mich hier also nicht einfach herumliegen lassen können. Naja, genau genommen hätte sie das schon tun können, sollte ja auch Menschen geben, denen sowas am Arsch vorbei ging. Ihr allen Scheins nach ja aber nicht und ich war auch wirklich froh darüber. Ich hing ja doch noch ziemlich an meinem Leben und hatte auch gewiss nicht vorgehabt zu sterben, da war ich schon froh, dass sie mir geholfen hatte. Auch wenn ich das gerade vielleicht nicht so offensichtlich zeigte, ich war momentan eben doch noch ein wenig erschöpft und platt von der ganzen Sache. Das hatte mich schon ein wenig in Mitleidenschaft gezogen. Bevor ich aber auf ihre Worte hin etwas erwidern hätte können, erklang ihre weiche, ruhige Stimme erneut und ich sah zu ihr auf, wobei ich wegen der Sonne hinter ihr ein wenig blinzeln musste. Ich lauschte ihr aufmerksam und ehrlich? Sie hatte recht. Das war wohl mal die nackte Wahrheit gewesen, wie man so schön sagte. Nachts war es wirklich nicht sonderlich warm, zumindest momentan nicht. Und ich war bis auf die Haut komplett durchnässt, ich war total fertig, ich zitterte und noch immer war da dieser Hustenreiz im Hals. Tja, sie hatte wohl auch damit recht, dass ich keine zehn Meter weit laufen können würde. Ich überlegte einen Moment, fuhr mir mit der Zunge über die trockenen Lippen und schaute dann wieder zu ihr auf, meine Stimme war noch immer rau und kratzig: „Was schlägst du dann vor? Ich gehe nicht zum Arzt, auf keinen Fall.“ Hoffentlich war ihr das klar, ich würde mich bestimmt nicht von ihr zu einem Doc schleppen lassen. Ich wollte wenn überhaupt nur noch in mein Bett. „Wie heißt du eigentlich?“ fügte ich nach einigen Sekunden noch leise hinzu, schaute sie angestrengt an.
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Na wenigstens blockte er mich nicht direkt wieder ab. Das war doch mal ein Anfang und erleichterte mich zugegebenermaßen auch ziemlich. Wobei ich nun andererseits wohl auch kein Problem damit haben sollte ihn mir ‚gefügig‘ zu machen. Gefügig in dem Sinne, dass er im Endeffekt genau das tat, was ich mir denn so vorstellte, Gefühle spielten da nämlich eine große Rolle und es sollte nun wirklich kein Problem für mich darstellen ihn glauben zu lassen, dass es das beste war mir zu vertrauen, dieses... tiefe Vertrauen einer fremden Person gegenüber einfach so mir nichts, dir nichts in ihm aufkeimen zu lassen. Normalerweise war ich wirklich kein Freund davon, setzte diese Gabe gewiss auch nicht ohne nachzudenken ein, aber manchmal war es eben nötig, wenn Volltrottel nun mal der Meinung waren das Beste für sie sei das Schlechteste und das Schlechteste das Beste. Ich wollte ja im Grunde auch nur helfen, aber er ließ sich ja nun ganz offensichtlich helfen, zumindest wirkte es nun erst einmal so auf mich. „Hab ich ja auch gar nicht gesagt. Ich zwing dich bestimmt nicht zu deinem Glück.“, erwiderte ich stumpf auf seine Worte, dass er bestimmt zu keinem Arzt gehen würde. Wobei ‚Glück‘ vielleicht nicht das Richtige Wort war, ich hätte es viel mehr durch das Wort ‚Gesundheit‘ oder so etwas Ähnliches ersetzen müssen, aber war ja auch egal. Er wusste sicherlich was ich meinte und wenn nicht, dann eben nicht. „Mich würde es zumindest ein wenig beruhigen, wenn ich wüsste, dass du zu Hause im trockenen angekommen bist. Deal?“ bot ich schließlich an, zog einen Moment fragend die schmalen Augenbrauen in die Höhe. Klar, wenn er jetzt ablehnte, dann lehnte er ab und dann konnte ich dagegen auch nichts tun. Und ich würde ihm danach sicherlich nicht weiterhin meine Hilfe anbieten und regelrecht danach betteln, das hatte ich immerhin nicht nötig. Dann sollte er eben zusehen was er tat – oder eben nicht tat. Alles Weitere war dann wirklich nicht mehr mein Problem. Ich mischte mich hier schon wieder viel zu sehr in fremde Angelegenheiten ein. Normalerweise war ich was das betraf wirklich zurückhalten und nur halb so schlimm, wenn überhaupt. Aber der Kerl hier, keine Ahnung.. erst rempelte er mich an, dann fand ich ihn bewusstlos am Flussufer, rettete ihm mehr oder weniger das Leben – was für ein aufregender Tag. Auch wenn ich noch immer der Meinung war, dass er ebenso beschissen begonnen hatte wie er sicherlich auch enden würde. Ich war schlicht weg mit dem falschen Bein aufgestanden. Aber zurück zum Hier und Jetzt: „Mira und du?“ Ein Spitzname sollte ihm wohl ausreichen, was brachte ihm auch mein ganzer Name? Ging ihn im Endeffekt doch gar nichts an, wobei es schon angenehmer war seinen Namen zu wissen, als ihn in Gedanken als Fremden oder Namenlosen Unbekannten zu betiteln, auch wenn das einen gewissen Charme besaß, irgendwie zumindest.
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Theo
Warum sollte ich mir auch nicht von ihr helfen lassen? Sie hatte ja recht. Ich würde wahrscheinlich nicht einmal mehr drei Meter weit laufen können, ohne dass ich alle paar Zentimeter stehen bleiben müssen würde. War ja nicht so, als würde ich sie ausnutzen wollen, aber sie schien mir ja auch helfen zu wollen und wieso sollte ich das dann nicht annehmen? Und mein Gott, mir würde schon irgendwas einfallen, womit ich mich dafür revanchieren können würde. Wobei ich sie sicherlich nicht in meine WG zum Essen einladen würde.. Die beiden Kerle da drin würden sie nur dumm anschmachten und darauf konnte ich ehrlich gesagt verzichten. Sie vermutlich auch. Ich meine, welche Frau mochte sowas schon? Ich kannte zumindest keine von dieser Sorte. Naja und immerhin hatte sie schon einmal nicht vor mich zu einem Arzt zu schleppen. Ein Arzt stand bei mir nämlich nicht gerade für das Glück, aber war ja jetzt auch echt egal. Solange sie mich damit in Frieden ließ war alles in Ordnung. Schien sie jetzt auch glücklicherweise zu tun und als sie mir den Deal vorschlug, dass sie zumindest ein wenig beruhigt sein würde, wenn ich daheim im trockenen sein würde, sah ich wieder zu ihr auf und musterte sie einen Augenblick lang. Sie war hübsch, hatte braune lange Haare und haselnussbraune Augen. Wobei ich mich echt fragte, wie sie mich bei ihrer zierlichen, schlanken Statur bis nach Hause bringen wollte. Naja gut, erst einmal musste ich hier überhaupt wegkommen und zu der nächsten Straße gelangen, dann würde es auch ein Taxi tun. Ich wollte mich ihr hier ja auch nicht aufzwingen, nein, ganz und gar nicht. Sie musste das gewiss nicht tun, ich würde sie zu nichts zwingen. Notfalls würde ich schon alleine hier irgendwie wegkommen und nach Hause kommen, außerdem besaß ich ja auch ein Handy, mit dem ich einen meiner beiden Kumpel anrufen können würde. Aber.. Moment. Ich runzelte unwillkürlich die Stirn, wandte meinen Blick von ihr ab und schob meine Hand in meine Hosentasche, wo mein Handy auch noch tatsächlich war. Ich zog es heraus, wobei ich jetzt wirklich die Befürchtung hatte, dass es durch das Wasser den Geist aufgegeben hatte. Und tatsächlich- als ich es anzumachen versuchte, machte es keinen einzigen Mucks mehr. Toter als tot. Herzlichen Glückwunsch. Ist ja mal echt blöd gelaufen. Ich seufzte leise, ließ es achtlos neben mich ins Gras fallen und murmelte ein genervtes ‚Scheißding‘, bevor ich wieder zu der jungen Frau aufsah, die mir gerade ihren Namen verraten hatte. Mira hieß sie also. Passte zu ihr. Warum konnte ich nicht sagen, aber es war halt eben so. „Schöner Name. Freut mich dich kennenzulernen- ich bin Theo“ erwiderte ich und rang mir ein erschöpftes Lächeln ab, das wohl gründlich misslang. Dann fiel mir auch schon wieder ein, dass ich ihr ja noch eine Antwort bezüglich des nach Hause bringens schuldete. „Du musst mir nicht helfen, wenn du nicht willst.. oder keine Zeit hast oder so. Wobei ich wohl auch nicht leugnen kann, dass ich Hilfe gebrauchen könnte“ antwortete ich also noch mit rauer Stimme, bevor ich mich auf die Beine zu drücken versuchte. Was zugegebenermaßen gar nicht so einfach war, ich war wohl doch ein wenig mehr angeschlagen als ich es vermutet hätte.
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Theo. Auf seine Worte huschte tatsächlich ein kurzes – wirklich sehr kurzes – Lächeln über mein Gesicht. Allerdings war es wohl ebenso schnell wieder verschwunden wie es auch aufgetaucht gewesen war. Und trotzdem teilte er mir nochmal mit, dass ich nicht helfen brauchte, sofern ich nicht wollte. Ein klein wenig neigte ich den Kopf zur Seite, zog die schmalen Augenbrauen zusammen: „Wenn ich weder Zeit noch Motivation dazu hätte dir zu helfen, würde ich es dir wohl nicht anbieten. Vermutlich hätte ich dich dann nicht mal aus dem Fluss gezogen, bzw. vom Ufer weg.“, stellte ich fest. „Die brauchst du wirklich, also komm her.“ Das war natürlich mehr metaphorisch gemeint, dieses ‚also komm her‘, das ich hinter meine Zustimmung zu seinen Worten, dass er noch Hilfe brauchte angehängt hatte. Ich trat wieder auf den jungen Unbekannten – aber wenigstens nicht mehr Namenslosen – zu und half ihm so gut ich eben konnte auf die Beine, bevor er einen Arm um meine Schultern legen konnte, ich einen Arm um seinen Rücken legte. Sicher war sicher und hier sah uns ja sowieso niemand, zumindest nicht solange wir nicht wieder in der Stadt ankamen. Aber da mussten wir ja erst mal hinkommen, es war schon anstrengend gewesen ihn die paar Zentimeter vom reißenden Fluss weg ins Gras zu ziehen, da würde es sicherlich nicht wenig Kraft fordern ihn bis zu sich nach Hause zu stützen. So gut ich eben konnte, immerhin war ich doch kein Muskelbepackter Zwei-Meter-Kerl. Auch wenn das in diesem Moment echt praktisch wäre, aber bekanntlich konnte man ja nicht alles haben und normalerweise war ich mit mir und meiner Figur auch wirklich ziemlich zufrieden. Ich war nicht allzu klein, aber auch kein Riese, war schlank und zierlich gebaut, hatte aber dennoch weibliche Kurven. Doch, ich war wirklich zufrieden mit mir und noch dazu mit dem Glück gesegnet essen zu können was ich wollte ohne zuzunehmen. Sicherlich war ich mir bewusst, dass sich das vielleicht irgendwann einmal ändern würde, aber noch war das nicht so und wenn ich Glück hatte ließ sich diese Veränderung auch noch ein ganzes Weilchen Zeit. „Wieso bist du vor den Bullen überhaupt davon gerannt?“ Da kam nun langsam doch die Neugierde durch. Natürlich musste er nicht antworten, aber ich hatte ihm mittlerweile ja wohl doch schon deutlich gezeigt, dass ich nicht vor hatte ihn an irgendwen auszuliefern oder zu verpfeifen.. wäre das nämlich meine Absicht, dann würde es hier schon von Polizisten wimmeln, so wie die hinter dem Kerl hergerannt waren. Im Endeffekt ging es mich zwar nichts an, aber ich wollte nicht schweigend neben ihm herlaufen, das... kam mir einfach komisch vor und auf die Schnelle und so spontan war mir in diesem Moment eben kein anderes Gesprächsthema eingefallen. Er würde schon was sagen, wenn es ihn störte. Wobei ich wirklich tunlichst versuchte seine Gefühle zu ignorieren, die bei diesem intensiven Körperkontakt doch mehr oder weniger in riesigen Wellen über mich hereinschwappten. Ich meine... ich war es ja gewohnt, die Gefühle anderer Menschen wahr zu nehmen, aber so nahe kam ich den wenigsten, erst recht nicht wenn sie so dermaßen aufgewühlt waren... das war wirklich anstrengend und in gewisser Weise auch unangenehm, immerhin waren diese Gefühle ja nicht gerade die angenehmsten und schönsten.
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Theo
Tja, und dann bekam ich von ihr schon mehr oder weniger vorgehalten, dass sie ja gar nicht hier wäre und mir helfen würde, wenn sie das nicht wollen würde und/ oder keine Zeit hätte. Und dass ich Hilfe brauchte.. da schienen wir wohl mehr oder weniger einer Meinung zu sein. Ehe ich dann auch weiter etwas darauf sagen konnte- ich war in dem Moment sowieso recht damit beschäftigt aufzustehen- war die junge Frau auch schon auf mich zugetreten und half mir beim aufstehen, bevor ich meinen rechten Arm vorsichtig um ihre Schultern legte. Klar, sie war eine Stütze die ich sehr gut gebrauchen konnte, aber ich wollte jetzt auch ganz bestimmt nicht mein ganzes Gewicht auf sie übertragen. Das musste schließlich auch nicht sein. Echt nicht. Außerdem hatte sie mir eh schon sehr geholfen, da sollte sie sich jetzt nicht auch noch plagen. Wobei ich ehrlicherweise schon sagen musste, dass ich mich wie ein alter, klappriger Opa fühlte. Ich schämte mich sogar fast ein wenig dafür, dass ich hier als doch recht gestandener Kerl auf die Hilfe der zierlichen, hübschen Mira angewiesen war. Klar versuchte ich sie so gut wie möglich zu entlasten, aber ich konnte nicht verhindern, dass ich mich fühlte wie der letzte Volltrottel. Bevor ich ihr aber hätte danken können, kam dann doch auch schon die Frage, warum ich vor der Polizei überhaupt die Flucht ergriffen hatte. Ich wandte ihr kurz meinen Blick zu, dann presste ich die Lippen aufeinander. Was aber nicht lange möglich war, da ich auch unwillkürlich die Luft angehalten hatte, weshalb mein Körper schon wieder leicht in Panik geriet. Ich atmete hörbar ein, versuchte mich darauf zu konzentrieren, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Selbst das war nämlich schon anstrengend. "Naja.. sagen wir's mal so: ich halte es nie lange an einem Arbeitsplatz aus. Ständig werden mir irgendwelche Dinge vorgeworfen, die nicht wahr sind und ja.. da krieg ich dann doch des Öfteren die Bullen auf den Hals gehetzt. Und ich kann mich nie wirklich herausreden, immer wird mir irgendeine Strafe aufgebrummt, obwohl sie jemand völlig anderes verdient hätte.." murmelte ich leise und zuckte leicht mit den Schultern, als auch schon die nächste Straße in Sicht kam. "Keine Ahnung warum und womit ich das verdient habe, aber ich bin wohl der größte Pechvogel schlechthin" meinte ich und lachte leise, fast ein wenig verbittert. Zu meiner Erleichterung stellte ich an der Straße dann fest, dass es zu mir nach Hause gar nicht mehr so ewig weit war und dann brauchten wir vielleicht auch nur noch zwanzig Minuten, ehe wir an meiner Haustür angekommen waren. Ich löste mich von ihr, lehnte mich neben der Tür an die Wand und kramte den Schlüssel aus der Hosentasche, um die Tür dann mit leicht zittrigen Fingern aufzuschließen. "Danke für deine Hilfe. Möchtest du noch mit hochkommen? Und.. ich würde mich freuen, wenn ich dich mal irgendwohin einladen könnte. Ich muss meiner Retterin ja irgendwie danken" meinte ich freundlich, auch wenn die Erschöpfung wohl kaum zu übersehen und zu überhören war, und lächelte sie leicht an.
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Er hielt es also nie lange an einem Arbeitsplatz aus, weil ihm immer etwas vorgeworfen wurde, das er letztlich nicht getan hatte. Pechvogel. Wenn das was er mir da auftischte wirklich stimmte, dann war er das tatsächlich, für mich klang das alles aber eher ein wenig surreal. Immerhin musste es ja schließlich einen Grund dafür geben, dass ihm ständig etwas vorgeworfen wurde, vielleicht sollte er einmal ein wenig etwas an seiner Verhaltensweise bei der Arbeit ändern oder sowas.. keine Ahnung, war ja schon komisch, dass scheinbar immer er der Böse war – es musste ja einen Grund dafür geben. Zumindest war das meine Sicht der Dinge. Ich konnte natürlich auch vollkommen falsch liegen, aber letzten Endes war es total egal, weil mich das nichts anging und.. ja, allgemein eben – das war einfach sein Ding und ich wollte mich bestimmt nicht einmischen. Eigentlich hatte ich auch eine Aufgabe zu erfüllen und nicht Hinz und Kunz den Hintern zu retten. Aber nun gut. Bis nach Hause würde ich ihn ja noch begleiten können, dann würde es so oder so langsam dunkel werden und der Tag war gelaufen, heute würde ich bestimmt niemanden mehr finden, niemanden den ich suchte. Die Nadel im Heuhaufen – so in Etwa. De Welt war der Heuhaufen und die Nadel diese eine, bestimmte Person. Woher wollten die denn wissen, dass ich sie ausgerechnet hier fand? Ein paar genauere Angaben wären durchaus ganz liebenswert gewesen, aber gut... die wussten es ja selbst nicht, sonst müsste ich ja letzten Endes nicht suchen. Vor dem Haus in dem er wohnte angekommen war ich letzten Endes – zugegebenermaßen – ganz schön froh ihn endlich los lassen zu können und den engen Körperkontakt und damit die extremen Gefühlsschwankungen endlich los zu werden. Mir war schon ganz flau im Magen geworden, so viel auf einmal war ich dann doch nicht gewohnt gewesen und ich hatte Angst davor gehabt seine Gefühle in weitem Maße zu beeinflussen, weil ich keine Ahnung hatte, ob er mir dann letzten Endes nicht noch vorn über gekippt wäre – und die Kraft ihn zu tragen besaß ich ja nun wirklich ganz und gar nicht. Auf seine Worte bezüglich meiner Frage hatte er nur noch ein „Achso, scheint so“ bekommen. Nicht mehr und nicht weniger, den Rest des Weges hatte ich mich eigentlich darauf konzentriert sowohl ihn zu stützen, als auch mein Gleichgewicht zu halten und sauber einen Fuß vor den anderen zu setzen. Immerhin war er schon wacklig auf den Beinen, da konnten wir es nicht gebrauchen, dass ich das auch noch war und mit diesem Gefühlschaos in mir und neben mir war das gar nicht so einfach, auch wenn sich Außenstehende das vermutlich gar nicht vorstellen konnten. „Kein Problem..“, erwiderte ich auf sein Danke, schüttelte dann aber leicht den Kopf: „Ich denke es ist am besten, wenn du dich gleich hinlegst, da kannst du keinen Besuch gebrauchen.“ – Außerdem brauchte ich jetzt auch einfach einen großen Abstand zwischen mir und jeglichem fühlenden Wesen auf dieser Erde. Ein leichtes Lächeln zierte meine Lippen, bevor ich ein wenig nickte, auch wenn ich nun wirklich nicht wusste, ob das so die beste Idee war: „Abgemacht, darfst du – aber erst wenn du wieder richtig fit bist.“
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